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Paolo Veronese, Livia da Porto Thiene ca.1552 High Society – unter diesem Titel zeigt das Rijksmuseum Amsterdam dieses Frühjahr eine große Ausstellung – buchstäblich! Dabei sind im Philipsflügel des Rijksmuseums lebensgroße ganzfigurige Porträts aus vier Jahrhunderten zu bewundern. Anlass für die Ausstellung war der 2016 erfolgte Ankauf der zwei einzigen Ganzfiguren-Bildnisse von Rembrandt van Rijn: Marten Soolmans und Oopjen Coppit. Nach einigem Gerangel wurden beide Bildnisse gemeinsam vom französischen und dem niederländischen Staat erworben. Beide Gemälde wurden in den vergangenen Monaten in der Restaurierungswerkstatt des Rijksmuseums restauriert und sie bilden nun den strahlenden Mittelpunkt in der Ausstellung von Porträts ähnlicher Monumentalität aus Jahrhunderten vor und nach Rembrandts meisterlicher Arbeit.

Die Ausstellung High Society zeigt eine Auswahl ganzfiguriger Porträts aus internationalen Sammlungen und richtet sich dabei nicht nur auf niederländische Werke wie sonst oft bei Sonderausstellungen hierzulande. So gibt es auch Highlights italienischer und englischer Porträtkunst zu bewundern – und nicht nur von bekannten Malern wie Lucas Cranach, Veronese, Van Dyck, Gainsborough, Reynolds oder Munch. Auch bei Publikum weniger bekannte Maler wie Moretto da Brescia, William Larkin und Hans Mielich sind vertreten. Im Falle zweier Bildnisse von der Hand von Paolo Veronese konnte sogar eine Familienzusammenführung erreicht werden. Während Mutter Livia da Porto Thiene und ihre Tochter im Walters Art Museum in Baltimore zu Hause sind, gehört das Gemälde ihres Ehemanns Iseppo da Porto mit Sohn den Uffizien in Florenz. Im Rijksmuseum hängen die vier nun wieder harmonisch nebeneinander. Unter den Porträtierten finden wir Angehörige des europäischen (Hoch-)Adels ebenso wie selbstbewusste holländische Bürger und militärische Befehlshaber, berühmte Schönheiten und exotische Erscheinungen, einen als Weiberheld bekannten Gynäkologen und einen Sklavenhalter, brave und weniger brave Ehefrauen, eine Femme Fatale, eine Schriftstellerin und einen Fabriksdirektor.

Sie präsentieren sich uns in ganzer Person und tragen dabei entweder ihre prunkvollste Kleidung oder lassen sich in wohlausgewählten Phantasiekostümen abbilden. Um die eigene Persönlichkeit oder aber Rang und Namen zu unterstreichen, sind die Herrschaften mit Attributen versehen: Wir sehen erlesensten Schmuck, Bisamäpfel, Handschuhe, Schamkapseln, Hüte, Waffen und Rüstungen, sogar einen Löwen, einen Tabaksbeutel mit Pfeife, eine Zigarre, einen Brief, Blumen und Fächer. Allen voran spielen Hunde verschiedener Rassen und Handschuhe wichtige Rollen als persönliche Accessoires. Während die Damen alle bekleidet sind, wagten es manche Herren durchaus ohne Scheu, die eigene Haut zu zeigen. So kommen wir in den Genuss, nackte Männerbeine bewundern zu dürfen, und in einem Fall sogar einen komplett nackten Mann, wenn auch seine Scham verhüllt bleibt.

Edvard Munch, Walther Rathenau, 1907 Mit der Spannweite über vier Jahrhunderte wird die Ausstellung auch zu einer Reise durch die Geschichte der Mode – vom obligatorischen Schwarz der Kleidung holländischer Bürger über Schottenkaros im 18. Jahrhundert bis zu Nachempfindungen klassischer „antiker" Kleidungsstücke. Dabei passieren modische Erscheinungen Revue, die manchen unerwartet treffen mögen. Von Frauen erwartet man wohl eher als von Männern auffallende Mode nach dem letzten Schrei, wenn es um die Selbstdarstellung für die Nachwelt geht. Doch auch die Männer in dieser Ausstellung fallen durch die Wahl besonderer Kleidungsstücke oder Accessoires auf. Ihre Kleidung ist oft von kostbarer Stickerei versehen, die sich nicht nur am Wams oder Mantel befinden kann, sondern auch auf erlesenen Seidenstrümpfen. Hohe Absätze bei Männern scheinen in vergangenen Zeiten keine Ausnahme gewesen zu sein und auch feminin anmutende dekorative Elemente aus Spitze sind bei Herren aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu finden.

Die Ausstellung wird ergänzt von einer Präsentation graphischer Kunst, die sich dem lasterhaften Treiben der High Society widmet. Auch in höheren Kreisen waren (und sind) Spielsucht, Trunkenheit, sexuelle Ausschweifungen und deren Folgen ein Übel, das es anzuprangern galt oder über das man sich auf Kosten anderer lustig machen konnte und kann. Wer zarter besaitet ist oder auf die Entwicklung Heranwachsender Rücksicht nehmen muss, sei darauf hingewiesen, dass in einem gesonderten Kabinett dieser Ausstellung auch Darstellungen sehr unverhohlenen, um nicht zu sagen pornographischen, Inhalts gezeigt werden.

Die Porträt-Ausstellung High Society im Rijksmuseum Amsterdam ist noch bis zum 3. Juni 2018 zu sehen. Der Besuch der Ausstellung lässt sich prima mit einer netten privaten Führung in der Sammlung des Rijksmuseums kombinieren. Außer Führungen zu Highlights oder dem Goldenden Zeitalter gibt es auch eine Kukullus-Führung zu Porträtkunst in der Rijksmuseum-Sammlung.

März 2018

 

 

Captain Thomas Lee, Marcus Gheeraerts II

 


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