Wer sich eine Radtour an der Vecht entlang von Utrecht nach Maarssen gönnt, dem kann stadtauswärts ein Gebäude auffallen, dessen Eingang nicht nur mit einem Zutritt-verboten-Schild sondern auch mit einer hebräischen Inschrift verziert ist. Der längliche Ziegelbau beherbergt eine Aula und eine Hausmeisterwohnung. Und dahinter verbirgt sich ein jüdischer Friedhof. Erst ab 1788 durften Juden sich offiziell in Utrecht ansiedeln. Zuvor waren zwar manche bereits in der Stadt tätig, beispielsweise als Händler, durften dort aber nicht wohnen. Dagegen kannten umliegende Gemeinden jüdische Bevölkerungsanteile, wie besonders Maarssen, wo sich ab dem 17. Jahrhundert zunächst viele so genannte portugiesische Juden ansiedelten, die von der iberischen Halbinsel vertrieben worden und in Richtung Amsterdam geflüchtet waren. Diese Gruppe war oft vergleichsweise wohlhabend. Später kamen auch askenasische Juden hinzu, die aus dem östlichen Deutschland und Osteuropa stammten und in der Regel zu ärmeren Schichten gehörten.
Nachdem Statthalter Wilhelm V. 1788 dafür gesorgt hatte, dass Juden offiziell in Utrecht zugelassen wurden, konnten sie 1792 auch eine Synagoge bauen. Dafür stand ihnen die ehemalige Kirche der Täufer oder Taufgesinnten am Springweg zur Verfügung. Diese wurde den eigenen Bedürfnissen entsprechend umgebaut. Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde eine gründliche Neueinrichtung notwendig. Als Architekt trat dabei Harry Elte Phzn (1880-1944) auf, ein Schüler H. P. Berlages, der den Innenraum neu gestaltete. Dieses Interieur besteht noch heute, wenn auch gefährdet. Denn nachdem die Niederländische Israelitische Gemeinde bereits 1982 einen Teil des Gebäudes verkaufen musste, zeigt sich auch derzeit, dass die verfügbaren Mittel zu Unterhalt und Renovierung offenbar nicht reichen.
Das Interieur der Utrechter Synagoge am Springweg, entworfen von Harry Elte Phzn (1880-1944) zwischen 1924 und 1926.
Der jüdische Friedhof von Utrecht
Als wohnen und beten in Utrecht möglich geworden waren, entstand 1808 hier am Zandpad an der Vecht auch ein Friedhof für die jüdischen Mitbürger. Bis dahin waren Utrechter Juden in Maarssen begraben worden. Der Utrechter Friedhof wurde 1935 restauriert und 2004 kümmerten sich freiwillige Helfer auch um die 800 Grabsteine. Das Gelände ist nicht öffentlich zugänglich. Doch ein kurzer Film des Senders RTV Utrecht bietet Einblicke (wenn auch niederländisch gesprochen wird).
Eingang des Aula-Gebäudes vor dem jüdischen Friedhof am Zandpad in Utrecht, einem Relief aus Fackeln in den Zwickeln und hebräischer Inschrift im Rundogen.
Die Lage des Friedhofs mag einigermaßen überraschen, beginnt doch an dieser Stelle die Utrechter Tippelzone, bestehend aus zig Hausbooten, in denen die Frauen ihrem Gewerbe nachgehen und an denen entlang die vermeintliche Krone der Schöpfung erwartungsvoll flaniert, meist im PKW, und dabei gern einmal Radfahrer übersieht und Vollbremsungen an eigentlich nur durch männliche Abgelenktheit gefährlichen Kreuzungen veranlasst.
Mir ist unbekannt, inwieweit die ersten Planer der Begräbnisstätte hieran Anstoß genommen hätten. Fakt ist, dass diese Rotlichtzone erst in den 70er Jahren hierher kam, als sie aus anderen Stadtgebieten weichen musste. Es sei in den Raum gestellt, ob man bei der geographischen Wahl der Neuansiedlung nicht etwas mehr Feingefühl an den Tag hätte legen können. Der niederländische Wikipedia-Artikel zur Prostitution in Utrecht (Abruf am 17.10.2012) fällt übrigens in die Wikipedia-Kategorie "Kultur in Utrecht (Stadt)". Es besteht also kein Anlass, mich zu schämen, wenn ich hier im Rahmen eines kulturellen Blogs auf diese Beschäftigung eingehe.